Teile dieser Stellungnahme wurden in abgewandelter Form während der Ratssitzung am 01.03.2023 als Haushaltsrede eingebracht. Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Ratsmitglieder,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
zum dritten Mal stehe ich heute vor dem Rat der Stadt Jülich, um eine Haushaltsrede zu halten und zum dritten Mal habe ich mir im Vorfeld Gedanken gemacht: Wohin will die Stadt Jülich eigentlich?
Bevor ich diese Frage beantworte und mit dem inhaltlichen Teil meiner Rede beginne, bedanke ich mich, auch im Namen meiner Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, bei Herrn Kohnen und der gesamten Verwaltung. Sie haben fast alle unsere Fragen zum Haushaltsentwurf zügig und ausführlich beantwortet.
Ich möchte meine Rede mit einem ganz persönlichen Einblick beginnen. Wie man mir anhört, bin ich kein Muttkrat. Ich bin vor etwas mehr als acht Jahren nach Jülich gekommen, weil ich hier meine besten beruflichen Perspektiven gesehen habe. Ich bin die Forschung gegangen, weil ich persönlich davon angetrieben werde, Dinge zu verändern, die mir nicht passen, anstatt darauf zu hoffen, dass andere sie für mich ändern. So bin ich auch in die Kommunalpolitik gekommen. Ich bin politisch aktiv, weil ich mein Umfeld, unsere Stadt aktiv mitgestalten möchte. Diese Motivation steckt in allen Mitgliedern meiner Fraktion.
Jetzt ist es in der Kommunalpolitik so, dass der Handlungsspielraum oft sehr eingeschränkt ist. Sei es durch gesetzliche Vorgaben oder durch mangelnde finanzielle Mittel. Kompromisse müssen gefunden und Ergebnisse ausgehandelt werden. Es gibt allerdings Themen, da sind Kompromisse fehl am Platz. Dort wurden viel zu lange und viel zu oft sehr einseitige Kompromisse gemacht. Die Rede ist vom Klimawandel und der sich daraus ergebenden Klimakrise.
Ich könnte jetzt viele Vergleiche wie „Es ist fünf vor Zwölf“ oder ähnliches anbringen. Aber die Wahrheit ist: Es ist fast schon zu spät. Die Welt hat ihr CO2-Budget nahezu aufgebraucht, aber es ist keine Besserung in Sicht. Die Zeit der Kompromisse zulasten der Klimakrise ist vorbei. Daher nehme ich die Schlussfolgerung meiner Rede bereits vorweg: Wir werden den vorliegenden Haushalt heute ablehnen. Denn er wird den notwendigen Herausforderungen und Verantwortungen nicht gerecht.
Zum ersten Mal stehe ich nicht Ende Juni, sondern Anfang März des Haushaltsjahres vor Ihnen. Das ist für eine Jahresplanung dennoch relativ spät. Eine frühere Verabschiedung des Haushalts hätte auf jeden Fall den Vorteil, rechtzeitig finanzielle Sicherheiten zu haben. Vor allem Investitionen in Klimaschutz und eine zukunftsfähige Mobilität müssen ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Die im vorliegenden Haushalt verankerten Mittel reichen aus unserer Sicht allerdings nicht dafür aus. Zu unkonkret, zu wenig ambitioniert und zu unausgewogen sind die Schwerpunkte im Haushalt. Die Frage bleibt, was selbst davon in diesem Jahr noch umgesetzt werden würde.
Klimaschutz, Nachhaltigkeit und eine ambitionierte Mobilitätswende müssen oberste Priorität im politischen Handeln haben. Ohne eine Erhaltung unserer Lebensgrundlagen nutzt auch der Fokus auf den Menschen nichts. Für diese Aufgaben haben wir in Jülich das NaMoK-Team. Leider haben es sich einige Ratsfraktionen zur Aufgabe gemacht, sämtliche Vorschläge aus dem Team abzulehnen, unnötig Steine in den Weg zu legen oder schlichtweg die Arbeit nicht wertzuschätzen und sie als Symbolpolitik abzutun. Alibiveranstaltungen wie ein autoarmer Sonntag sind das Einzige, was zugelassen wird. Ja, es ist Aufgabe des Stadtrats, die Arbeit der Verwaltung zu leiten und auch kritisch zu hinterfragen. Sperrvermerke auf Investitionen und der Vorschlag der Streichung von Stellen in diesem Bereich zählen aus unserer Sicht allerdings nicht dazu. Ganz im Gegenteil: Um all die Herausforderungen zu bewältigen, müsste das NaMoK-Team ausgestockt werden. Mindestens eine weitere Stelle für Klimaschutzaufgaben ist notwendig.
Selbst die Umsetzung einstimmig gefasster Beschlüsse zum Wohle des Klimaschutzes müssen eingefordert werden. Aber was bringen 10.000 € mehr für Baumpflanzungen, wenn auf der anderen Seite immer wieder gesunde Stadtbäume für neue Baummaßnahmen weichen müssen? Warum muss sich immer die Natur den Baumaßnahmen anpassen und nicht umgekehrt? Warum werden immer Kompromisse zulasten der Natur erwartet, nie aber zulasten von Baumaßnahmen. Hier wäre der Aufbau eines Grünflächenamtes auf jeden Fall angebracht. Wir dürfen keine Angst haben, potenzielle Investoren in die Schranken zu weisen und ihnen strenge Vorgaben zu machen. Die laufen dann nicht direkt weg, so wie es viele hier befürchten. Klare Vorgaben sind ein Zeichen politischer Stärke, wie ich sie mir von diesem Gremium öfter wünschen würde. Sich trauen, auch mal Nein zu sagen, statt mit Zustimmung den leichten, widerstandslosen Weg zu gehen. Auch das Vor-sich-herschieben von Maßnahmen löst die Probleme nicht.
Ende des vergangenen Jahres haben wir es endlich geschafft, das Energiemanagement der Stadt Jülich auf den Weg zu bringen. Noch fehlen die Fördermittel und das Personal und damit die für eine Sanierungsplanung notwendigen Zahlen. Wir sind zuversichtlich, dass uns das im Laufe des Jahres gelingen wird, um zukünftig die steigenden Energiekosten besser in den Griff zu bekommen. Denn auch dieses Jahr finden wir das im Haushalt nur unzureichend abgebildet. Uns fehlt noch die Antwort auf unsere Frage zu der Gesamtsumme aller Energiekosten, die nach unserer Rechnung bei deutlich über 4 Mio € liegt. Darüber hinaus freuen wir uns allerdings auf die beiden PV-Anlagen auf dem Erweiterungsbau des Gymnasiums und der Turnhalle in Welldorf. Sie sind zwei kleine, aber wichtige Bausteine in der kommunalen Energiewende.
Doch nicht nur Kostensteigerungen im Bereich der Energieversorgung könnten den Haushalt sprengen. Auch die jüngste Entscheidung zum Krankenhaus birgt erhebliche finanzielle Risiken. Hinzu kommen die noch laufenden Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst, die mit Sicherheit höher ausfallen werden als geplant und den Haushalt vor großen Herausforderungen stellen. In den vergangenen zwei Jahren waren die Personalkosten ein Dauerbrenner während der Haushaltsberatungen. Sie werden weiter ansteigen. Die Reaktion darauf sollte aber kein Stellenabbau, sondern ein effizienter Einsatz des vorhandenen Personals unter progressiver Führung sein. Seit Jahren wird in Jülich der Fokus auf Großprojekte mit möglichst viel Strahlkraft gelegt. Dazu wurde von Teilen der Politik außerdem das Ziel „Jülich 40.000“ ausgerufen. Dabei wird oft vergessen, dass es vor allem die Basics sind, die eine Stadt attraktiv machen. Bezahlbarer Wohnraum, Grundversorgung in den Dörfern, ein attraktives und diverses Mobilitätsangebot und vieles mehr. Gerade letzteres wird seit Jahren von Teilen der Politik aktiv verhindert, teilweise sogar bekämpft. Als Lösung werden Umgehungsstraßen und Parkplätze vorgeschlagen. Am Ende müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht zu sehr an Luftschlössern ergötzen und das Ziel nicht zu einem „Jülich 30.000 und nur für gutverdienende Menschen“ wird.
Ein Attraktivitätsfaktor für eine Stadt ist das Freizeitangebot. Hier gehe ich stellvertretend auf die Sportanlagen links der Rur ein. Seit 1,5 Jahren ist das Freibad geschlossen und die Sportanlagen für Fußball und Leichtathletik sind in einem miserablen Zustand. Doch statt sich schnellstmöglich die Fördermittel für eine Instandsetzung zu schnappen, wird in Jülich wieder die große Lösung gesucht. Ein modernes Freibad mit angeschlossenem Hallenbad, ein Sportpark mit multifunktionalen Parkplätzen und einem überdachten Basketballfeld. Alles schön und gut, nur es wird nicht kommen. Mit Fördermitteln wird nur die Wiederherstellung finanziert, für mehr fehlt in Jülich das Geld. Das hätten wir auch schon direkt im Sommer 2021 haben können, ohne weitere Luftschlösser.
Denn Jülich profitiert seit Jahrzehnten von Zuzug und wird es auch zukünftig noch. Menschen mit und ohne internationaler Geschichte leben in Jülich, seit der jüngeren Zeit kommen vermehrt Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten mit Fluchthintergrund zu uns. Integration und Perspektiven für alle Menschen müssen auf unserer Agenda stehen. Gute Schulen, ausreichend Kita und OGS-Plätze und ein solides Kultur- und Bildungsangebot für alle Generationen. Diese Angebote schaffen ein respektvolles Miteinander innerhalb der Gemeinschaft Jülichs. Die Wertschätzung und der Dialog zwischen Stadt und Bürgerinnen und Bürger würde auch gleichzeitig mehr Innovation zulassen.
Vielleicht habe ich als Zugezogener einen anderen Blick auf Jülich. Ich sehe die enormen Potenziale und wundere mich immer wieder darüber, wie sehr sich so mancher in diesem Haus an die Vergangenheit klammert und Änderungen blockiert. Ob es die Angst vor Neuem oder schlicht der Wunsch nach dem einfachsten Weg ist. Ich weiß es nicht. Zielführend ist es aus meiner Sicht nicht.
Wir haben als Fraktion lange und intensiv über den Haushalt beraten. Wir haben Fragen gestellt, um die Hintergründe und Zusammenhänge besser zu verstehen. Die Positionen der Einzelpläne, die aus unserer Sicht sachlich begründet, notwendig und sinnvoll sind, tragen wir mit. Die für uns zentrale Frage, wie sich Jülich im Rahmen der klimatischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Herausforderungen entwickelt, wird für uns nur unzureichend beantwortet. Wir werden dem Gesamthaushalt heute daher unsere Zustimmung verweigern. Die Hintergründe habe ich in meiner Rede hoffentlich verständlich dargelegt.
Zum Ende meiner Rede bedanke ich mich bei meiner Fraktion für die geleistete Arbeit im letzten Jahr und freue mich auf die weiterhin gute Zusammenarbeit.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sebastian Steininger
(Fraktionsvorsitzender)