Von der breiten Öffentlichkeit fast unbemerkt wurden Ende 2021 ambitionierte Planungen zur Neugestaltung der Großen Rurstraße in Jülich auf Eis gelegt. Zu Beginn des Jahres 2022 machte dann ein Antrag der Zuckerfabrik zur Ausweitung der Rübenkampagne die Runde.
Oliver Ollech, Sprecher des Grünen Ortsverbandes und Grüner Kandidat für den Wahlkreis Düren I bei der NRW-Landtagswahl in diesem Jahr, und Sebastian Steininger, Vorsitzender der Grünen Ratsfraktion, nehmen zu den Vorgängen sowie den Chancen und Herausforderungen der Mobilität in Jülich Stellung.
„Wir haben im Juni 2021 im Jülicher Stadtrat ein Mobilitätskonzept verabschiedet, das die Weichen für die wichtigsten Mobilitätsentscheidungen der Zukunft stellt“, freut sich der Fraktionsvorsitzende. Jetzt gelte es, die Maßnahmen aus dem Mobilitätskonzept mit Leben zu füllen. Auf über 180 Seiten werden große wie kleine Maßnahmen zum Rad-, Fuß- und öffentlichen Nahverkehr beschrieben. Der Verschiebung der ambitionierten Planung zur Neugestaltung der Großen Rurstraße, die nicht Teil des Mobilitätskonzepts ist, haben die Jülicher Grünen daher nur mit Zähneknirschen zugestimmt. Es waren unter anderem eine Verlagerung der Parkplätze entlang der Straße an zentrale Orte und eine gemeinsame Nutzung der Straße für Rad- und Autoverkehr inkl. Geschwindigkeitsreduzierung geplant. „Eine Landesstraße mit Tempo 30 oder sogar 20 und mit Fokus auf den Rad- und Fußverkehr gibt es so schnell nicht wieder. Das wäre ein Leuchtturmprojekt für Jülich, auf das viele Städte neidisch wären“, freut sich Steininger über die gelungene Planung. „Leider war die Kommunikation von Seiten der Stadtverwaltung in Richtung der Politik nicht gut und uns blieb zu wenig Zeit für die notwendige Diskussion.“ Er hofft, dass die Planung zeitnah in der Form weitergeführt wird. Denn sowohl im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligungen zum Mobilitäts- wie auch zum integrierten Handlungskonzept gab es bereits viele Stellungnahmen der Jülicher:innen zur Großen Rurstraße. „Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Straße für Radfahrende als gefährlich und für den Fußverkehr als Hindernis wahrgenommen wird“, so Steininger. Zentrale, mobilitätsübergreifende Parkmöglichkeiten, wie Quartiersgaragen, würden bei entsprechender Beschilderung und Ausführung Akzeptanz finden. „Wir brauchen in Jülich nicht mehr Parkraum, sondern zentrale und gut ausgeschilderte Parkmöglichkeiten rund um die Innenstadt.“
Für ihn gibt es auch einen klaren Grund, warum sich das Mobilitätskonzept auf mehr als 100 Seiten mit den Themen Radverkehr, Fußverkehr und ÖPNV, aber nur auf 3 Seiten mit dem Thema Autoverkehr beschäftigt. „Rad-, Fuß- und öffentlicher Nahverkehr sind die Verkehrsmittel der Zukunft. Sie sind dem Auto ökologisch und ökonomisch weit überlegen und deutlich platzsparender“, erläutert Steininger.
Dass die Grünen oft als Verbotspartei dargestellt werden, ärgert ihn. „Seit Jahrzehnten fordern wir alternative Verkehrsmittel zum Auto. Die Menschen müssen selbst entscheiden können, welches Verkehrsmittel sie nutzen. Dazu müssen aber eben die Alternativen ausgebaut und nicht das Geld in immer neue Straßen gesteckt werden.“
„Für uns ist Individualverkehr mit Autos auf Basis von fossilen Brennstoffen keine Mobilität der Zukunft“, ergänzt der Sprecher des Ortsverbandes und Landtagskandidat Ollech. „Gleichzeitig ist Mobilität im ländlichen Raum auch immer ein emotional besetztes Thema, egal ob es um den Verkehr zwischen Dörfern und Stadt oder die Anbindung an Städte wie Aachen, Köln oder Düsseldorf geht.“
Hinzu kommen aktuelle Sanierungsthemen wie Parkhaus oder Rurbrücke in Jülich. „Gerade bei der Sanierung der Rurbrücke kommen wir um temporäre Behelfsstraßen nicht herum. Daraus eine generelle Zustimmung der Grünen für Umgehungsstraßen, z. B. wegen des Ausbaus der Zuckerfabrik, abzuleiten, ist fatal.“ Außerdem schaffen Umgehungsstraßen keine schnelle Abhilfe, sondern haben einen Umsetzungszeitraum von mehr als 10 Jahren. Hier bedarf es ganzheitlicher, alternativer Konzepte für unsere Region unter Einbindung von Schienenverkehr und bereits vorhandener außerstädtischer Straßen. „Strukturwandel bedeutet an dieser Stelle auch Zukunftsperspektiven zu entwickeln und nicht den Status Quo und die vorhandenen Strukturen einfach zu asphaltieren und fortzuschreiben.“
Zum Schluss bringen Ollech und Steininger noch den Punkt der Digitalisierung ins Spiel. „Wenn Angebote digitalisiert werden, insbesondere Dienstleistungsangebote in unseren Verwaltungen und gleichzeitig der Internetausbau schneller voranschreitet, können sich die Menschen Wege sparen“, so Steininger. Ollech ergänzt „Spätestens die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, dass für viele auch ein Arbeiten im Homeoffice möglich ist. Ergänzen wir dies noch um Co-Working-Space wie in Titz geplant, können durch die täglich fehlenden Fahrten zur Arbeit langfristig die Straßen entlastet und Emissionen reduziert werden.“